Natalia Janßen und Elisabeth Voß machen eine Pflege-Ausbildung
Spätlernerinnen

(21.09.2022) Mit 48 und 56 noch einmal die Schulbank drücken, lernen und von vorne anfangen? Warum nicht, dachten sich Natalia Janßen und Elisabeth Voß. Die beiden machen nun eine Ausbildung zur Pflegefachfrau.

Angehende Pflegefachfrauen: Elisabeth Voß und Natalia Janßen (v.r.)

Als Elisabeth Voß ihre Bewerbung verfasste, konnte sie nicht umhin, einen entscheidenden Satz zu ergänzen: „Auch in meinem hohen Alter möchte ich gerne noch etwas Neues lernen.“ Sie war 54 Jahre alt als sie die Zeilen schrieb. In den zwei Jahren zuvor hatte sie ein behindertes Kind betreut und dabei gemerkt: „Das ist mein Ding, genau das möchte ich machen. Aber nicht als Aushilfe, sondern mit einer ordentlichen Ausbildung.“

Doch mit Mitte 50 noch einmal die Schulbank drücken? Allein unter Menschen, die gerade einmal 20 Jahre alt sind, die andere Musik hören, andere Filme schauen und womöglich auch ganz anders sprechen? Und sich noch einmal kopfüber in die Praxis stürzen? In Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste?

Elisabeth Voß, die zuvor in Bürojobs tätig war, hatte den Mut und schickte ihre Bewerbung ab. Denn: Pflegekräfte werden doch händeringend gesucht. Aber auch solche, die nach dem Ende ihrer Ausbildung nur noch zehn Jahre vom Renteneintritt entfernt sind? Voß bekam eine Antwort – und es war keine Absage. Stattdessen wurde sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das persönliche Kennenlernen verlief für beide Seiten erfreulich. Es dauerte nur zwei Tage und sie hatte eine Zusage.

Mittlerweile ist sie im zweiten Jahr ihrer Ausbildung und hat ihre Entscheidung nicht bereut. „Natürlich waren die ersten Tage schwierig“, erinnert sie sich. „Da waren nur junge Menschen um mich herum und ich habe mich gefragt: Bist du hier richtig?“ Die Antwort war ihr aber schnell klar: „Wir sind ein richtig tolles Team geworden“, so Voß.

Natalia Janßen, 2001 aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, ist bereits im dritten Ausbildungsjahr. Sie ist 48 Jahre alt und wollte arbeiten. Den Medizinbetrieb kannte sie, die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistentin war ihr erster Schritt in die Pflege.

Sie absolvierte den Lehrgang ohne Schwierigkeiten und begann gleich mit der Ausbildung zur Pflegefachfrau. Im März 2023 ist sie mit der dreijährigen Ausbildung fertig. Wieder lernen – oder: das Lernen selbst wieder lernen. Das war für Natalia Janßen die große Herausforderung. Die Klassen sind bunt gemischt, das führt unterschiedlichste Perspektiven zusammen. „Es ist sehr schön, wie sich die Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen Blickwinkeln einbringen“, sagt sie.

Natürlich hat das Alter auch Vorteile. Janßen und Voß bringen ihre Lebenserfahrung mit. In der Pflege ist es wichtig, sich auf viele verschiedene Menschen einstellen zu können. „Bei der täglichen Arbeit auf Station können wir uns sehr gut einbringen“, so Voß. Auf der anderen Seite ist sie sicher: „Wir können auch viel von den jungen Leuten lernen.“

Elisabeth Voß findet es gut, wie sich die Ausbildung gewandelt hat. Die Zeiten des „Frontalunterrichts“ sind lange vorbei. „Wir lernen sehr viel in Gruppen und müssen uns die Inhalte selbst erarbeiten. Das gefällt mir.“ Theorie und Praxis sind eng miteinander verzahnt, bedingen sich gegenseitig. Nur Lob hat sie für die Kollegen und Dozenten. „Die nehmen einen so, wie man ist. Auch als Spätlernerinnen.“

Pflegeausbildung: Zusammen statt getrennt

Wer seine Ausbildung in der Pflege neu beginnt, profitiert von der Reform der Pflegeberufe: Die in Deutschland bisher getrennten Ausbildungen der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege sind seit 2020 zusammengefasst. 100 Pflegefachfrauen und -männer pro Jahr starten in der Bildungsakademie für Gesundheitsberufe Kleve (BAG) ihren Weg in die Pflege. Ausbildungsbeginn ist entweder zum 1. März, zum 1. August oder zum 1. Oktober. 2.100 Stunden Theorie und 2.500 Stunden Praxis umfasst ihre Ausbildung. Den schulischen Teil absolvieren die Auszubildenden in der Bildungsakademie, den praktischen Teil in den Krankenhäusern des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums, in Altenpflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten.