Wer seine Organe spendet, schenkt die Chance auf ein neues Leben
Wer seine Organe spendet, schenkt die Chance auf ein neues Leben

Das Montagsforum des Netzwerks ambulanter Hospizdienste hatte zu einem eindrucksvollen
Infoabend rund um das Thema Organtransplantation in die Wasserburg Rindern eingeladen
Von Claudia Gronewald
Kleve. Dass Ole Schunk an diesem Abend zusammen mit drei Experten auf dem Podium in der
Wasserbug Rindern sitzen konnte, war im doppelten Sinn ein besonderer Glücksfall. Zum einen,
weil der 18-Jährige vor sechs Monaten Empfänger einer Spenderniere wurde, zum anderen,
weil er im Rahmen des „Montagsforums des Netzwerks ambulanter Hospizdienste Unterer
Niederrhein“ einen sehr persönlichen Einblick in das Thema des Abends, Organtransplantation
- Chancen, Herausforderungen und ethische Perspektiven, geben konnte.
Die Koordinatorinnen und Koordinatoren des Netzwerkes ambulanter Hospizdienste Unterer
Niederrhein bereiten für ihre große Anzahl ehrenamtlicher Mitarbeitenden seit Jahren auf der
Wasserburg in Rindern im Rahmen des „Montagsforums“ interessante Vorträge und Workshops
zur Fortbildung vor. „Es sind wichtige Themen, die gerade im unruhigen und unsicheren
Alltagsgeschehen ihren Raum behalten müssen“, sagte Hospizkoordinatorin Dorothee Beutler,
die die Netzwerkgruppe vertrat, zur Begrüßung. Auch die interessierte Öffentlichkeit sei dazu
deshalb immer herzlich eingeladen. Moderiert wurde der Abend von Christoph Kepser,
Chefredakteur von Antenne Niederrhein.
Zum Auftakt hatte Daniel Bode, Koordinator der deutschen Stiftung Organtransplantation
(DSO) Region Nordrhein-Westfalen, den zahlreich erschienenen Interessierten einen
umfassenden und kundigen Einblick ins Thema gegeben. Er sprach über die aktuellen
Entwicklungen sowie den komplexen Ablauf von der Spendenerkennung bis zur
Transplantation und schilderte den von der DSO koordinierten, organisatorischen Weg – von
der Feststellung des Hirntods des Spenders, dem Gespräch mit den Angehörigen, der Entnahme
des Organs, seiner Konservierung, dem Transport und der Übertragung.
Er startete dafür mit zwei kurzen Videosequenzen. Die eine zeigte auf humorvolle Weise, wie
wichtig es ist, dass jede und jeder sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen sollte,
die andere ließ eine junge Frau zu Wort kommen, die vom „großen Glück“ erzählte, eine neue
Niere bekommen zu haben. „Einen Organspendeausweis zu haben“, wandte sich Bode an die
Zuhörenden, „bedeutet nicht automatisch, dass Sie Spender sind.“ Auch eine mündliche
Willensäußerung sei eine Möglichkeit. „Organspender zu sein, ist vor allem eines: eine ganz
persönliche Entscheidung jedes Einzelnen“, sagte er. Aber treffen Sie eine Entscheidung,“
appellierte Bode, „damit es nicht Ihre Angehörigen tun müssen.“
Auch räumte er auf mit der wohl weit verbreiteten Annahme, man könne nur bis zu einem
gewissen Alter überhaupt als Spender in Frage kommen. „Es gibt keine obere Altersgrenze,
keine Einschränkungen bei der Todesart und nur sehr wenige absolute Kontraindikationen (etwa
TBC oder HIV).“ Gleichzeitig hatte Daniel Bode ernüchternde Zahlen im Gepäck. Bundesweit,
so der DSO-Koordinator, seien aktuell zwischen 80- und 90.000 Menschen auf eine Dialyse
angewiesen und warteten teils acht bis neun Jahre lang auf eine Spenderniere. 8505 Menschen
stehen derzeit auf der Warteliste von Eurotransplant. Die Stiftung ist verantwortlich für die
Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern.
Dem stünden gerade einmal rund 900 Spender pro Jahr gegenüber. Das sehe bei unseren
Nachbarn anders aus, sagte Bode. Spanien etwa habe viermal so viele Spender. Das Thema
Organspende werde in Europa recht unterschiedlich behandelt, erklärte er. Während in
Deutschland aktuell die sogenannte Zustimmungsregelung gilt, können die meisten anderen
Länder in Europa auf die Widerspruchsregelung zurückgreifen. Danach ist nur derjenige, der
aktiv widerspricht, kein Spender.
Die Anwesenden erfuhren von Daniel Bode dezidiert., welche gesetzlichen Grundlagen für eine
Organspende existieren. Er erklärte genau, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.
Er beschrieb die Ausgangssituation von der schweren Hirnschädigung, ausgeschöpften
therapeutischen Maßnahmen (infauste Prognose) bis zur Feststellung des Hirntods eines
möglichen Spenders.
Dem informativen Vortrag schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Als Fachleute diskutierten
Prof. Dr. Gert Gabriëls, Uniklinik Münster, mit dem Schwerpunkt Innere Medizin, Nephrologie,
Ethik, Dr. Ronald Jelinski, Organtransplantationsbeauftragter der Katholischen Karl Leisner
Einrichtungen, und DSO-Koordinator Daniel Bode - sowie Ole Schunk als unmittelbar
Betroffener. Die Experten waren sich einig: letztlich könne nur die Widerspruchsregelung für
einen Anstieg der Organspenden sorgen. „Es ist eine extrem belastende Situation lange auf ein
Organ warten zu müssen“, befand Gabriëls. Es sei jedem zuzumuten, einmal im Leben über
diese Frage nachzudenken, hoffte auch Ronald Jelinski auf die Widerspruchslösung. Daniel
Bode verwies auf die aus seiner Sicht sympathische kroatische Lesart des Begriffs. Hier heiße
die bestehende Widerspruchsregelung ‚erwartete Zustimmung‘.
Bei den vielen Fragen aus dem Publikum ging es immer wieder um die fehlende oder
unzureichende Information zum Thema, über bessere Schulung des Klinikpersonales, damit
dieses die wenigen Spenderfälle auch tatsächlich erkennen kann und die schwierige Aufgabe
als Angehöriger eine Entscheidung für oder gegen eine Spende treffen zu müssen. Die
Anwesenden trieb aber auch die Frage um, wie viel Zeit die Hirntoddiagnostik den Angehörigen
für ihre Entscheidung lasse. Auch die ethische Frage, ob man noch ein Mensch sei, wenn das
Hirn tot sei, könne man diskutieren, so Prof. Gabriëls. Er erklärte, dass es auch eine Frage der
Ethik sei, nach welchen Prinzipien jemand eine Niere bekomme und wie das Punktesystem der
Warteliste funktioniere. „Hier spielt zum Beispiel das junge Alter des Patienten eine Rolle.“
Und genau das war Ole Schunks Glück. Er war 17, als er eine neue Niere bekam. Bis dahin
hatte sich der Zustand seiner Nieren immer weiter verschlechtert. Während der CoronaPandemie versagte das Organ schließlich gänzlich seinen Dienst. Der junge Mann wurde
dialysepflichtig. „Ich habe mich ständig krank gefühlt,“ schildert er die schwere Zeit des Warten
-müssens eindrucksvoll. Die Dialyse, so Prof. Gabriëls, könne in keinem Fall auch nur
annähernd die Funktion der Nieren ersetzen. „Wer lange Dialyse benötigt, dem geht es immer
schlechter.“ Und Ole? Ihm geht es gut mit seiner neuen Niere. Er ist seinem Spender sehr
dankbar und hat seinem neuen Organ den Namen Eckard gegeben. „Weil ich dadurch eine neue
Chance auf Leben bekommen habe.“
Hinweis: Im Rahmen dieser Veranstaltung organisiert der Ambulante Hospizdienst
Donsbrüggen im Katholischen Karl Leisner Klinikum – St. Antonius-Hospital, Kleve, eine
informative und ergänzende Ausstellung. Diese kann noch bis zum 15. Mai 2025 zu den
Öffnungszeiten der Wasserburg besucht werden.