Intensivstation
Sehen, hören, fühlen.

Geräte bestimmen den Alltag auf einer Intensivstation - doch die Ärzte im Marienhospital Kevelaer wissen, wie wichtig es ist, auf die eigenen Sinne zu achten.

Das Bett fehlt. Noch. Doch die Frage ist allerdings nicht, ob es kommen wird, sondern wann es in den Raum geschoben wird. Vielleicht schon in der nächsten Minute, vielleicht auch erst morgen. Doch für diesen Augenblick ist alles perfekt vorbereitet auf der Station im Untergeschoss des Marienhospitals in Kevelaer. An einem Ständer sind zehn elektronische Spritzenpumpen angebracht, über der Wand ist eine Leiste mit Steckdosen und Anschlüssen für Sauerstoff und Luft, Infusionsschläuche liegen bereit, ein Monitor wartet darauf, eingeschaltet zu werden, damit sich auf einen Blick die Vitalfunktionen ablesen lassen. Röntgenapparate und Beatmungsgeräte lassen sich sofort hinzuholen.

Wenn ein Patient auf die Intensivstation gebracht wird, wenn es mitunter tatsächlich um Sekunden geht, die über Leben und Tod entscheiden, darf nichts dem Zufall überlassen werden. Doch so beeindruckend das Arsenal der Technik ist, über das die Ärzte verfügen, so wichtig ist – und das mag überraschen – auch der geschulte Blick des Mediziners auf den Patienten, der gerade hineingeschoben wird.

Schaut auf den Patienten, nicht nur auf die Monitore

„Ich sage meinen jungen Assistenzärzten immer: Schaut auf den Patienten, nicht nur auf die Monitore!“, sagt Thomas Knieriem, Oberarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Kevelaerer Krankenhaus. In seinen vielen Dienstjahren hat er zahlreiche Fortschritte der Medizin miterlebt, doch an einer grundsätzlichen Erkenntnis hat all das nicht rütteln können: „Das Wichtigste ist immer noch Sehen, Hören, Fühlen.“

Wer auch immer eines der Intensivbetten in Kevelaer belegt, ist in einer besonderen gesundheitlichen Situation. Nicht nur Patienten nach aufwendigen Eingriffen bedürfen einer hohen Aufmerksamkeit, sondern auch Menschen mit einem Organversagen oder einer schweren Infektion profitieren von der Intensivmedizin. Oft erlebt das Team auch, dass mehrere Krankheitsgeschehen zugleich eskalieren.

Für eine erste Einschätzung, wie gefährdet der Patient ist, reichen dem erfahrenen Mediziner oftmals schon wenige Augenblicke. Ist der Patient ansprechbar? Wie atmet er? Wie schlägt der Puls? Wie ist die Haut beschaffen? Schwitzt der Patient? „Das geht innerhalb von Sekunden“, so Knieriem.

Zuerst werden Zugänge gelegt

Dann beginnt die medizinische Versorgung. „Zuerst werden Zugänge gelegt“, berichtet Knieriem. Die sind wichtig, um genaue Informationen über Vitalwerte zu erhalten und eben auch in Sekundenschnelle Medikamente zu verabreichen. Es gibt auch Fälle, in denen eine Magensonde erforderlich ist, um den Patienten zu ernähren. Der Zeitraum, in dem ein Patient auf der Intensivstation behandelt wird, kann wenige Tage betragen, aber es hat auch schon Fälle gegeben, in denen erst nach mehreren Wochen eine Verbesserung eingetreten ist.

"Schaut auf den Patienten, nicht nur auf die Monitore." Thomas Knieriem ist Oberarzt der Klinik für Anästhesie und Itensivmedizin im Marienhospital Kevelaer.

Vom ersten Augenblick an ist der Patient umfassend überwacht. Am Bett steht ein Monitor, an dem sich jederzeit Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung ablesen lassen. Immer wieder wird die geschäftige Stille auf der Station durch Warntöne unterbrochen. Sie unterscheiden sich und werden nach Farben benannt: Ein „roter Alarm“ erfordert ein unmittelbares Eingreifen, ein „gelber“ ist eher als Warnung zu verstehen, nach dem Rechten zu sehen. Ärzte und Pflegekräfte arbeiten Hand in Hand und gehen auch dann, wenn mehrere Alarmtöne gleichzeitig erklingen, konzentriert ihrer Arbeit nach.

Besonders herausfordernd wird die Lage, wenn Komplikationen auftreten – allen voran die Sepsis, umgangssprachlich als Blutvergiftung bezeichnet. Medizinisch versteht man darunter eine überschießende Reaktion des Körpers auf eine Störung, beispielsweise auf eine Infektion oder ein Trauma (Unfall), die zum Organversagen und zum Tode führen kann.„Für uns ist es deshalb wichtig, die Anzeichen einer Sepsis so früh wie möglich zu erkennen“, sagt Gregor Thomas, Stationsleitung der Intensivpflege: „Der frühe Beginn ist extrem wichtig, jede Verzögerung verringert die Überlebenswahrscheinlichkeit.“

Wichtig ist dem Team der Intensivstation, dass die Angehörigen von Anfang an mit in die Behandlung eingebunden werden. „Sie gehören mit zum Team“, sagt Thomas. Von Partner und Verwandten kann es wertvolle Hinweise zu den Umständen der Erkrankung geben, aber insbesondere auch um Informationen zu Patientenwünschen, beispielsweise einer vorliegenden Patientenverfügung.Denn gerade, wenn es um Leben und Tod geht, sollten die Wünsche der Patienten an erster Stelle stehen.

Die Geschichte der Intensivstationen

Die Geschichte der Intensivstationen begann 1954 in Kopenhagen. Dort richtete der Anästhesiearzt Björn Ibsen im Kommunehospital einen ganztägigen Aufwachraum ein, der eine diagnose- und krankheitsunabhängige Intensivbehandlung der Patienten ermöglichte. Ibsen war aufgrund der Poliomyelitis-Epidemie mit vielen Patienten konfrontiert, die über einen längeren Zeitraum beatmet werden mussten. Die Intensivabteilung unterscheidet sich von anderen Einheiten im Krankenhaus durch den Einsatz vielfältiger technischer Apparate sowie durch mehr Personal.