Wenn Kinder Diabetes haben
Pen und Pumpe für ein normales Leben

Michelle und Lany sind im Grundschulalter an Diabetes erkrankt. Das Diabetes-Team der Kinderklinik am St.-Antonius-Hospital Kleve hat sie optimal auf das Leben mit der Krankheit vorbereitet.

Das Gerät, das Michelle an ihrem Gürtel trägt, ist für ein Handy etwas zu dick. Aber als kleine Spielkonsole könnte es durchgehen. Der kleine Kasten ermöglicht der neunjährigen Schülerin aus Kleve ein normales Leben.

Denn Michelle Hermsen gehört zu den Menschen, die schon als Kind an Diabetes erkrankt sind. Deshalb trägt sie eine Insulinpumpe immer bei sich. Ein Sensor an Michelles Oberarm misst beständig den Gewebezuckerwert. Daraufhin pumpt das Gerät die benötigte Menge Insulin über einen kleinen Katheter in das Unterhautfettgewebe am Bauch, wo es vom Körper aufgenommen wird. Insulin für die Mahlzeiten wird extra einprogrammiert.

„Michelle hat Diabetes Typ 1“, erklärt Dr. Barbara Eberhard, Leitende Oberärztin und Diabetologin am St.-Antonius-Hospital in Kleve. „Die Krankheit wird durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst.“ Das heißt, die körpereigenen Abwehrzellen gehen gegen die eigenen Zellen vor, die in der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren. Warum sie das tun, ist trotz intensiver Forschung noch nicht endgültig geklärt.

Welche Folgen es hat, dagegen schon. Insulin, für den menschlichen Stoffwechsel ein lebenswichtiges Hormon, wird nicht produziert. Die Erkrankung betrifft in Deutschland aktuell rund 32.000 Kinder und Jugendliche sowie rund 350.000 Erwachsene.

Vorbeugung ist nicht möglich. Wer betroffen ist, ist ein Leben lang betroffen. Dr. Eberhard: „Die Krankheit lässt sich bisher nicht verhindern und kann nicht geheilt werden.“

Das unterscheidet diese Erkrankung vom Diabetes Typ 2, oft als „Altersdiabetes“ bezeichnet. Dieser lässt sich zunächst mit einer Ernährungsumstellung, mit Sport und Tabletten therapieren. Anders Typ 1: „Dieser Diabetes muss vom ersten Tag der Diagnosestellung an mit Insulin behandelt werden“, so Dr. Eberhard.

Wenn die jungen Patienten ins Krankenhaus kommen, besteht oftmals Lebensgefahr. Als die Krankheit bei Michelle vor einem Jahr ausbrach, fiel ihrer Mutter zunächst auf, dass ihre Tochter sehr viel trank. „Aber es war Sommer, und da trinken Kinder ja schon mal mehr“, berichtet Nicole Hermsen.

Doch ihre Tochter nahm in den folgenden sieben Wochen insgesamt zwölf Kilogramm ab. Der Hausarzt vermutete zunächst einen Wachstumsschub, ging der Sache dann aber auf den Grund. Am nächsten Tag rief der Arzt bei Nicole Hermsen an: „Wissen Sie eigentlich, dass ihre Tochter Diabetes hat?“

Er ließ Michelle sofort ins Krankenhaus einweisen. Dort wurde ein Blutzuckerwert von 500 gemessen – normal sind bei nüchternen Menschen Werte zwischen 60 und 110. Assistenzärztin Mihaela Luca leitete die lebensrettende Therapie ein. Der akute Krankenhausaufenthalt dauert in der Regel zwei Wochen.

Mit der Therapie beginnt ein neues Leben

Mit der Therapie beginnt für die Betroffenen auch ein neues Leben: Die Patienten müssen lernen, welche Lebensmittel wie viele Kohlenhydrate enthalten, wie der Blutzucker gemessen wird, wie die Menge des benötigten Insulins berechnet wird und wie die Insulininjektion vorgenommen wird.

Das musste auch Lany Lotta Elster aus Bedburg-Hau bewältigen. Sie ist schon elf Jahre alt und leidet seit drei Jahren an Diabetes. Das Krankheitsgeschehen entwickelte sich binnen weniger Tage. Das auffälligste Symptom war auch bei ihr ein maßloser Durst. Mutter Susi Elster erinnert sich: „Meine Tochter trank mehrere Flaschen Wasser pro Tag – und sie hatte immer noch Durst.“

Als Susi Elster mit Lany Lotta zum Arzt ging, war der Stoffwechsel schon entgleist. Auch sie musste sofort ins Krankenhaus, wo sie zunächst eine intravenöse Insulin-Infusion erhielt. Jetzt injiziert sie sich das Hormon mit einem Stift (Insulinpen), der so aussieht wie ein Füllfederhalter. Demnächst soll auch sie auf die Insulinpumpe umgestellt werden.

„Als ich die Diagnose hörte, war das zunächst ganz schlimm für mich“, sagt Mutter Susi Elster. „Ich hatte Angst, dass ich mein Kind nicht richtig versorge, dass ich etwas falsch mache und der Verantwortung nicht gerecht werden kann.“

Doch genau dafür hat das Diabetes-Team der Kinderklinik ein engmaschiges Netz geknüpft, das weit über die rein medizinische Betreuung der Patienten hinausgeht. Neben Barbara Eberhard und Mihaela Luca gehört Assistenzärztin Andriani Bougadaki zum Team der Mediziner. Diabetesassistentin und Kinderkrankenschwester Anastasia Litarowitsch unterstützt bei der Vermittlung der theoretischen und praktischen Schulungsinhalte auf der Kinderstation.

Physiotherapeutin Angelika Schwarz leitet die Kinder beim Sport an, damit sie lernen, wie der Blutzucker auf Bewegung reagiert. Zur Betreuung gehört auch die Sozialberatung durch den Sozialdienst des Krankenhauses sowie durch die Psychologinnen des sozialpädiatrischen Zentrums. Sie alle versuchen, die Familien bestmöglich aufzufangen.

Bei Bedarf ist zusätzlich eine Unterstützung durch die sozialmedizinische Nachsorge des Bunten Kreises Kleverland möglich.

Die umsichtige und gut vernetzte Betreuung hat dazu geführt, dass Susi Elster nun selbstbewusst mit der Krankheit ihrer Tochter umgeht. „Jetzt fühle ich mich viel sicherer“, sagt sie. „Ich koche jeden Tag frisch, Fertiggerichte gibt es bei uns nicht mehr. Und wir berechnen den Nährwert der Mahlzeiten genau.“ Das ist wichtig, weil sich danach die Menge des verabreichten Insulins bemisst.

"Seit ich Diabetes habe, esse ich nicht mehr so viele Süßigkeiten"

Und wie nehmen die Kinder die Veränderungen ihres Alltags wahr? Michelle muss kurz überlegen, dann sagt sie: „Seit ich Diabetes habe, esse ich nicht mehr so viele Süßigkeiten.“ Trotzdem überkommt sie manchmal der Heißhunger auf eine Tafel Schokolade. Die kann sie dann auch essen – der Körper braucht dann eben zusätzlich Insulin. Das lässt sich über die Pumpe regeln.

Ihre Hobbys mussten Lany und Michelle wegen der Erkrankung nicht einschränken. Die eine tanzt gerne, die andere klettert mit Vergnügen. „Das war auch schon vorher so“, sagt Lany. „Da hat sich nichts geändert.“

Diesen Artikel verfasste:
Leitende Oberärztin
Dr. Barbara Eberhard